Unsere Top 10+ es wird gegessen was auf den tisch kommt

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Artischockenböden gefüllt mit Polenta-Creme auf Spinat, Tomahawk-Steak oder Fondue. Sebastian Ziese will mit seinem neuen Frankfurter Restaurant Carte Blanche ohne Speisekarte überraschen – und auch ein bisschen provozieren.

Von Lotte Laloire

Mit drei Schritten eilt Sebastian Ziese an den Tisch. Gut gelaunt hält der Chefkoch persönlich einen Plausch mit seinen Gästen, erkundet sich nach deren Vorlieben, Unverträglichkeiten und Preisvorstellungen. So will er das von nun an immer machen: bei jedem Gast, fünf Tage die Woche.

Dann verschwindet er wieder in seiner Mini-Küche. Dort zaubert er und sein Team deutsche oder französische Gerichte, aber auch mal eine Spaghetti-Carbonara und bisher vor allem Fine-Dining-Menüs. Das Essen kostet dementsprechend je nach Aufwand zwischen 15 bis 62 Euro.

Dem sprichwörtlichen Bauern, der nicht isst, was er nicht kennt, taugt das Carte Blanche wohl kaum. Das kürzlich eröffnete Restaurant überrascht, denn es gibt keine Speisekarte. Im Gespräch am Tisch und auf seiner Homepage verrät Koch und Inhaber Ziese nur, was er eingekauft hat. Dort steht zum Beispiel: „Dry-aged Färsenrücken, Knurrhahn, weißer Albatrüffel, Topinambur und Süßkartoffel.“ Ab diesem Punkt müssen alle – er und die Gäste – flexibel sein.

Das Ambiente erinnert in gewisser Weise an den Fatih-Akin-Film „Soul Kitchen“. Der Speisesaal besteht aus einem einzigen Raum, ohne Nischen und ohne Theke. Wie das Essen sind auch die Möbel stylistisch wild durcheinander und trotzdem irgendwie passend kombiniert: Neben der roten Samtcouch steht eine Art Bierbank. Darüber hängt ein Kronleuchter.

Unter dem Motto „Lieber provozieren als Fahrstuhlmusik“ läuft im Hintergrund mal Mozart, dann Nirvana. Das Publikum an der Ecke von Egenolffstraße und Friedberger Landstraße sei von 25 bis 70 Jahren angenehm bunt gemischt, findet Ziese.

Nach ein paar Jahren in St. Moritz in der Schweiz hatte Ziese keine Lust mehr auf minütlich landende Privatjets und diese „abgefahrene Welt“, auch wenn er in seiner Freizeit leidenschaftlich gern Ski fährt. Der Bad Vilbeler wollte zurück nach Frankfurt. Mitgebracht hat er eine Begeisterung für Käse und Fondue. Weniger Lust hat er auf steif gebügelte Schürzen, weiße Tischdecken oder darauf, sich unter das Diktat einer Biermarke zu stellen. Bei ihm gibt es Bier aus der Brauerei eines Bekannten. Die Kellnerin trägt Sneakers.

Der Vorteil des Restaurants ohne Karte liegt auf der Hand: Ziese muss keine Zutaten für eine lange Liste von Gerichten parat haben, die er wegwerfen muss, wenn sie nicht bestellt werden. Er kann alles verwerten, was er einkauft. Den Seeteufel gibt’s zum Beispiel dann, wenn er auf dem Großmarkt 12 Euro pro Kilo und nicht 14 kostet.

Kritik am Besteck

Nach welchen Kriterien er entscheidet, was die Leute mögen könnten, will er erst nicht so recht verraten. Dann rückt er doch heraus: „Wer ’ne dicke Uhr und teure Schuhe anhat, kriegt dann schon mal das 1,2 Kilo Tomahawk-Steak.“ Dass ein Gast übertreibt und beispielsweise ein gluten- und laktosefreies Essen ohne Salz verlangt, sei ihm zum Glück bisher nicht passiert. Und die einzige Kritik, die er einstecken musste, bezog sich auf das Besteck, wie er berichtet. Das Besteck hat er von einem italienischen Designer anfertigen lassen und serviert es in rustikalen Ledermäppchen. Aus ökologischen Gründen behalten es die Gäste während der gesamten Mahlzeit, auch bei einem Vier-Gänge-Menü.

Als eine Nachbarin hereinkommt, um sich zu erkundigen, ob man bei ihm auch vegan und biologisch essen könne, nickt er freundlich. Nachdem sie gegangen ist, erklärt er: „Biologisch, von dem Wort halte ich nichts. Mir kommt es nicht darauf an, dass ein Bauer irgendwie zertifiziert ist. Ich achte mehr darauf, regional einzukaufen, und bringe auch mal Kräuter aus meinem Garten mit.“ Natürlich könne auch er nicht immer regional einkaufen, „aber in unserer Gegend einen Apfel vom anderen Ende der Welt zu importieren, ist doch total Banane“, sagt er und als er das ungewollte Wortspiel bemerkt, muss er laut über sich selbst lachen.

Ob hingegen der Name des Carte Blanche ein beabsichtigtes Wortspiel ist? Auf Deutsch heißt das so viel wie „weiße Karte“ oder auch „freie Hand“. Es fasst in nur zwei Worten das Potpourri-Konzept des jungen Kochs zusammen, der von den „Jungen Wilden“ und Jamie Olivers freiem Kochstil inspiriert ist.

Und vielleicht therapiert er damit in Zukunft entscheidungsunfreudige Frankfurter. Er selbst habe „früher so oft die Bedienung wieder wegschicken müssen, obwohl alle anderen schon wussten, was sie essen wollen, und dann ändert man die Bestellung doch nochmal“. Damit ist es vorbei. Bei Ziese wird gegessen, was auf den Tisch kommt.

Top 15 es wird gegessen was auf den tisch kommt synthetisiert von Sieu Thi Do Noi That